In der gegenwärtigen Diskussion um den Ausbau der Kinderbetreuung fällt auf, dass häufig nur die Mängel thematisiert werden. Natürlich es gibt zu wenige Betreuungsplätze, den Kommunen mangelt es, trotz großer Bemühungen, tatsächlich an Geld für einen zügigeren Ausbau und ja, es herrscht ein echter Personalnotstand an qualifizierten ErzieherInnen, weshalb nun in Crashkursen von fragwürdiger Wirksamkeit Fachfremde zu Pädagogen umgeschult werden sollen. Aber gerade angesichts dieser Herausforderungen gibt ein positives Beispiel die notwendige Orientierung, welches Ziel die Entwicklung der Kinderbetreuung und die Ausbildung der ErzieherInnen ansteuern sollte.
Tanja Edelmann blickt zurück auf ihr Anerkennungsjahr. Ein Jahr lang war sie im Neckargemünder Kindergarten Rumpelstilzchen Vollzeit beschäftigt. Die beiden Jahre davor waren ausgefüllt mit Unterricht und Praktika in verschiedenen Einrichtungen. Als staatlich anerkannte Erzieherin wird sie noch für das Wohlergehen, die Erziehung und auch die Bildung vieler Kinder verantwortlich sein. Ihre Fähigkeit dazu musste sie in den zurückliegenden Monaten in mancherlei Hinsicht unter Beweis stellen. Am anschaulichsten wird das an der Sache mit dem Hund.
Eine der Herausforderungen, die Tanja Edelmann meistern musste, war ein Projekt mit den Kindern durchzuführen. Ihre Kolleginnen rieten ihr dazu einen Spielimpuls der Kinder aufzunehmen, denn nichts garantiert die Mitarbeit eines Kindes so wie sein eigenes Interesse. Schnell wurde ihr klar, dass Tiere und insbesondere Hunde gerade ein großes Thema in der Gruppe waren. Die Kinder unterhielten sich über ihre verschiedenen Haustiere und spielten deren Verhalten in Rollenspielen nach. Die angehende Erzieherin erkannte die pädagogischen Chancen dieses Interesses. Nicht nur dass die Kinder dank diesem Antrieb bereit sein würden sich Wissen über Hunde und Tiere allgemein anzueignen, auch der angemessene Umgang mit den Vierbeinern konnte erlernt werden. Darüber hinaus böten sich noch tiefer gehende Entwicklungsressourcen, angefangen mit gestärktem Selbstwertgefühl und gezielt geförderter sozialer Kompetenz und Empathie, bis hin zu einer erhöhten Sprachbereitschaft und einem besseren Gruppenklima durch den gemeinsamen Gesprächsstoff und die geteilten Erlebnisse. Tanja hatte ihr Thema gefunden. Nach einer kurzen Planungsphase und Rücksprache mit den Eltern konnte das „Projekt Hund“ starten.
Auf einer Kinderkonferenz sammelte Tanja Edelmann auf Plakaten, die sie mit den Kindern gestaltete, deren Ideen, Fragen und das bereits vorhandene Wissen. So meinte eines, dass Hunde auch ihre Zähne putzen, ein anderes wollte wissen, welche Hundearten es gibt, ein drittes mochte mehr über den Körper des Hundes erfahren und was man mit so einem Hund alles spielen kann.
In den folgenden Wochen erarbeiteten sich die Kinder die Antworten auf diese und andere Fragen in Spielangeboten und Bilderbuchbetrachtungen mit ihrer Erzieherin. Sie stellten ein Memory der ihnen bekannten Hunderassen her und „begriffen“ die Anatomie eines Hundes, indem sie gemeinsam ein lebensgroßes Modell aus Pappmaché herstellten. Sie sangen zum Thema passende Lieder, fertigten Collagen an und buken Hundekuchen. Von diesen profitierte Brownie, die Hündin von Tanjas Kollegin Anne, welche als Besuch auch die Ausflüge der Gruppe begleitete und den Kindern ermöglichte zuvor Erfahrenes ganz nah und lebendig zu erleben. Die Bücher und Werke sammelten sich in einer „Hundeecke“ zur wiederholten Betrachtung und Benutzung. Dort fanden die Kinder auch eine Leine, ein Körbchen und einen Napf, um das Rollenspiel zu unterstützen. Spiel, Spaß und Lernen verbanden sich in dieser Zeit zu einem ganzheitlichen Erlebnis aus dem zwei Ereignisse jedoch besonders herausragten: Der Besuch einer Hundetrainerin und der einer Rettungshundestaffel, jeweils natürlich mit tierischem Anhang.
Julia Paar vom Verein Canis Lupus Therapeuticus e.V zeigte den Kindern, was ihre Hündin Mara so alles kann. Intelligenz, Geschick und eine feine Nase bewies diese bei der Suche nach Leckerlies, welche die Kinder zuvor versteckt oder in speziellen Hundespielsachen, die nur mit einem besonderen Kniff zu öffnen waren, deponiert hatten. Auch die Bälle, welche die Kinder warfen, brachte sie zuverlässig zurück und über einige Kinder, die sich vertrauensvoll vor ihr auf den Boden legten, sprang sie hinweg. Die Kinder bekamen so einen direkten Eindruck von den Fähigkeiten eines Hundes.
Wozu diese Fähigkeiten genutzt werden können, erfuhren die Kinder einige Wochen später als die DRK-Rettungshundestaffel Rhein-Neckar/ Heidelberg (www.rettungshundestaffel-rhein-neckar.de) mit ganzen sieben Hunden anrückte. Michaela Schweiß, Silvia Kettenmann, Barbara Michel und Anna-Lena Michel-Bergkau erklärten und demonstrierten ihre Arbeit mit den Hunden. Besonders aufregend war das „Versteckspielen“. Egal, wo ein Kind sich verbarg, die auf die Suche von Vermissten abgerichteten Tiere, fanden es. An diesem Tag war es für Tanja Edelmann und ihre Kolleginnen schön zu sehen, wie sicher die Kinder inzwischen mit den vielen Hunden in ihrem Kindergarten umzugehen wussten, sie streichelten, fütterten oder an der Leine führten.
Tanja Edelmann und die Kinder des Kindergartens Rumpelstilzchen haben in den Monaten ihres „Hundeprojekts“ viel gelernt und erlebt. Für Fachkräfte im Bereich Erziehung ist und bleibt es ein Qualitätsmerkmal aus den Impulsen der Kinder Entwicklungsräume zu eröffnen und die sich dann bietenden pädagogischen Chancen zu nutzen.